Ich bin spaniolin. Veza canetti im fokus ihres jüdisch-sephardischen erbes

  1. Patz Sievers, Evelyn
Dirigida por:
  1. Loreto Vilar Director/a

Universidad de defensa: Universitat de Barcelona

Fecha de defensa: 10 de abril de 2018

Tribunal:
  1. Anna Montané Forasté Presidente/a
  2. Linda Maeding Secretaria
  3. Bettina Bannasch Vocal

Tipo: Tesis

Teseo: 547076 DIALNET

Resumen

Die drei schlichten Worte „Ich bin Spaniolin” im Titel der vorliegenden literaturwissenschaftlichen Forschungsarbeit beinhalten das fundamentale Bekenntnis der jüdisch-sephardischen Schriftstellerin Veza Canetti, dessen tiefgreifende Dimension sich im Laufe der biographisch-literarisch-historischen Untersuchungen offenbart haben. Innerhalb von drei konzentrischen Kreisen richtet sich der Hauptfokus auf die judenspanische Identität Veza Canettis. Ein extensiver historischer Rückblick auf das Goldene Zeitalter der Sepharadim auf der Iberischen Halbinsel sowie die Konsquenzen des Vertreibungsedikts von 1492 macht das Festhalten der Sephardim an der spanischen Sprache und Kultur plausibel. Danach wird die literarisch-soziopolitisch fruchtbarste Zeit für jüdische Künstler und Schriftsteller wie Veza (und Elias) Canetti im Roten Wien des Austromarxismus bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme 1938 und das jüdische Exil in London erforscht. In jedem der konzentrischen Kreise ziehen sich vier relevante themenorientierte Elemente als roter Faden durch die Arbeit: 1. Das Judenspanische als Kommunikationssprache zwischen dem Ehepaar Canetti, 2. der einflussreiche literarische und künstlerische Freundeskreis der Canettis in Wien und im Londoner Exil, 3. die deutsche Literatursprache Veza und Elias Canettis, 4. eine minutiöse Analyse jener Werke, die thematisch mit dem jeweiligen der drei konzentrischen Kreise verbunden sind, d.h. das jüdisch-sephardische Erbe, das Leben mit jüdisch-sephardischen Wurzeln im Wien des sozio-politischen Wandels und zuguterletzt das jüdische Exil in London. Der erste konzentrische Kreis erforscht das jüdisch-sephardische Erbe Veza Canettis in seiner vollständigen Dimension im Hinblick auf das Leben ihrer Urahnen während des Goldenen Zeitalters Spaniens und Portugals, die Vertreibung der Juden und deren Neuansiedlung in Nordafrika, Nord-/Ost- und Westeuropa, im Osmanischen Reich, auf dem Balkan und Übersee. Die judenspanische Sprache hat sich bis in die Aktualität bewahrt, und zwar in Volksweisen, Sprichwörtern und der Literatur. Die Werkanalysen dieses konzentrischen Kreises beziehen sich insbesondere auf die spanischen Erzählungen „Der Seher” und „Pastora”, in denen die spanische Urheimat Veza Canettis mit der andalusischen Hauptstadt Sevilla als „innerer Idealstandort” leuchtend zutage tritt. Der zweite konzentrische Kreis untersucht die Einwirkungen der literarischen Strömungen wie die Wiener Moderne, die Neue Sachlichkeit sowie des politischen Wandels der ehemaligen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn auf das Leben und Werk Veza Canettis. Hierin werden die beginnende literarische Gemeinschaft mit Elias Canetti, der jüdische Wiener Freundeskreis, die literarischen Vorbilder Veza Canettis, der Austromarxismus als die in Europa beispielhafte Sonderform eines gemäßigten Sozialismus und insbesondere der Inhalt ihrer sozio-politisch-feministischen Kritikpunkte an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Zeit erforscht. In der Wiener Zeit entstanden Veza Canettis bedeutendste Erzählungen, die zum Novellenzyklus (Roman) Die Gelbe Straße zusammengefasst wurden. Der Roman Die Schildkröten stellt ein Brückenwerk dar, denn er wurde von Veza Canetti in wenigen Wochen nach ihrer Ankunft im Londoner Exil geschrieben, ist aber zugleich ein lebendiges Zeugnis der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Wien 1938 und Verdrängung und Verfolgung der Juden. Zum Glück gelingt den Canettis die rechtzeitige Flucht ins Exil nach London. Im dritten konzentrischen Kreis wird das jüdische Exil Veza (und Elias) Canettis in London untersucht. Wiederum sind die geflohenen jüdischen Freunde von wesentlicher Bedeutung, sowie die judenspanische Sprache, die Veza und Elias Canetti im privaten Umgang pflegen. Ferner wird den Briefen zusätzliche literarische Wertschätzung beigemessen. Die erforschten Briefe drücken die jüdisch-sephardische Identität Veza Canettis am ehesten aus und enthalten, vor allem die Buchsammlung der Briefe an Georges betreffend, etliche Hinweise auf das Judentum. Die in diesem konzentrischen Kreis untersuchten Werke sind weniger gesellschaftskritisch als in der Wiener Zeit und beschreiben sowohl Kriegserlebnisse wie die Bombardierung Londons („Air raid” und „Der letzte Wille”) , die Gegenüberstellung von Christen und Juden in „Toogoods oder das Licht”, wie auch Veza Canettis Beobachtungen der britischen Gesellschaft unter humoristischer Perspektive in ihrer Exilkomödie Der Palankin. Drei Werkübersichten, etliche Dokumente, Fotos und Briefe aus verschiedenen Nachlässen sowie zwei Gesprächs- bzw./Besuchsprotokolle im Anhang komplettieren die literaturwissenschaftlichen Forschungen der vorliegenden Dissertation und führen zu der Erkenntnis, dass eine profilierte Schriftstellerin sich mit ihren literarischen Schriften aus dem Schatten ihres langjährigen Ehemannes herauslöst und mit ihren jüdisch-sephardischen Wurzeln in eigenem Licht erstrahlt: Veza Canetti.